Recht auf Krankheit

Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2012 entschieden, dass psychisch kranke Straftäter nur noch in Ausnahmefällen gegen ihren Willen medizinisch behandelt werden dürfen.

Nun gut, dann ist das eben so, könnte man denken. Aber Das Urteil hat weitreichende Folgen. Um diese zu sehen, muss man sehen, dass die Verfassungsrichter – im Hinblick auf die europäische Rechtsprechung – ein Recht auf Krankheit statuiert haben, das jedermann zustehe, und zwar auch demjenigen, dessen Steuerung und Wahrnehmung eingeschränkt bzw. gestört ist. Die Gründe dafür sind unerheblich.
Vor diesem Hintergrund betrifft das Urteil nicht nur die geringe Zahl der forensischen Patienten, sondern auch jene, die in psychiatrischen Kliniken untergebracht sind.
Darf also der demente alte Herr, der seine Medikation verweigert, gegen seinen Willen behandelt werden? Jedenfalls haben sich die Untergerichte schon ans Werk gemacht, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die allgemeine Psychiatrie zu übertragen.
Der Landesgesetzgeber sollte hier dringend Klarheit schaffen und definieren, was das Recht auf Krankheit juristisch bedeutet, fordern Experten, und zwar sowohl aus dem rechtlichen als auch aus dem medizinischen Lager.
Viele Mediziner sind ratlos. Aus schweren Psychosen kommen Patienten ohne Medikamente nicht heraus. Ordnen die Ärzte aber eine Zwangsmedikation an, könnten sie dadurch gegen Recht verstoßen, tun sie dies nicht, machen sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Ein Dilemma, das möglichst rasch überwunden werden muss.